Ich stehe am Rande eines Felsvorsprungs, der über das klare Wasser der Bucht von Vouliagmeni an der Athener Riviera ragt. Es ist erst Anfang März, aber die Sonne scheint bereits kräftig und erhellt die gegenüberliegende Halbinsel Lemos. Der schöne, sonnige Tag lullt mich ein und verleiht mir irrigerweise gelassene Zuversicht. Tatsächlich ist nämlich zu dieser Jahreszeit das Meereswasser am kältesten.
Ohne mir die Zeit zu nehmen, mir das Unterfangen auszureden, biege ich meine Beine, strecke meine Arme und setze zu einem anmutigen Kopfsprung an. Als ich in das eisige Wasser eintauche, ist es mit meiner Gelassenheit vorbei. Instinktiv ziehe ich meine Gliedmaßen dicht an den Körper heran und zapple unter Schock im Wasser herum, während mir die ganze Luft aus den Lungen gesaugt wird. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich wieder zur Besinnung komme, den Kopf über das Wasser hebe und die vermeintlichen Symptome eines handfesten Schlaganfalls wieder vollständig in den Griff bekomme.
Während der Schock langsam nachlässt, beginne ich mich zu entspannen. Das Wasser hat eine Temperatur von 10° C (gut 26 Grad unter der normalen Körpertemperatur von 36° C); kein Wunder, dass ich, sobald ich anfange, mich im Bruststil durch das Wasser zu bewegen und sich meine Muskeln langsam aufzuwärmen beginnen, das Gefühl des Wassers auf meiner nackten Haut immer noch als sehr unangenehm empfinde. Obwohl es sich seltsamerweise mehr wie eine leichte Verbrennung anfühlt als einfach nur kalt. Ich bin nach Vouliagmeni gefahren, um die Mitglieder des Winterschwimmer-Clubs Poseidon zu treffen. Der seit 1942 in einer alten deutschen Küstenbefestigungsanlage untergebrachte Club ist seit 1982 den ganzen Winter über mit Ausnahme der religiösen Feiertage täglich geöffnet und hat 160 reguläre Mitglieder. Deren Alter reicht von 20 bis 92 Jahren.
Aber warum haben sich die Mitglieder dafür entschieden, sich diesem Schmerz auszusetzen? „Das Meer ist Leben“, erklärt Manolis, als ich ins Clubhaus zurückkehre. Manolis ist zusammen mit zwei weiteren 92-Jährigen der älteste reguläre Angehörige des Clubs. Er kommt während des Winters mindestens zweimal pro Woche und steigt nur dann nicht ins Wasser, wenn er krank ist oder es ihm seine Frau untersagt.
Manolis und der Präsident des Clubs, Jorgos Arjirakis, erklären, dass das Winterschwimmen gleich in mehrerer Hinsicht zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden beiträgt. Es ist gut für ein gesundes Herz, es fördert die Durchblutung, hält die Gelenke geschmeidig und liefert die dringend benötigte Winterdosis an Vitamin D. Außerdem geht man davon aus, dass regelmäßiges Winterschwimmen die Lebenserwartung erhöht – Manolis selbst ist dafür das denkbar beste Beispiel. Wenn man sein vitales Gesicht, seine strahlenden Augen und seine leicht olivfarbene Haut sieht, würde man niemals vermuten, dass er mehr als 65 Jahre auf dem Buckel hat.
Natürlich wurde mir gesagt, dass ich alles falsch gemacht habe. Eigentlich sollte man sich erst langsam an die Kälte gewöhnen, sich am Strand Zeit nehmen und sanft ins Wasser gehen, damit die Körpertemperatur allmählich sinkt, anstatt zuerst mit dem Kopf voraus einzutauchen. Es ist auch ratsam, schon ab September – und nicht erst jetzt, in der kältesten Jahreszeit – zu beginnen, so dass sich der Körper an das langsam kühlende Wasser anpasst, wenn der Winter einsetzt.
Und doch fühle ich, sobald ich mich getrocknet habe, wie mir ganz schnell warm wird. Ich spüre bereits, wie das Blut unter meiner Haut fließt, und es entsteht ein Gefühl von tiefer Körperwärme, so wie man es nach einer intensiven Yogasitzung empfindet. Tatsächlich wird mich dieses warme Glühen, das ich in meinem Inneren fühle, den Rest des Tages über begleiten.
Die Mitglieder des Poseidon sind nur ein kleiner Teil von den Hunderten – ja vielleicht sogar Tausenden –, die den ganzen Winter über an der gesamten Athener Riviera regelmäßig ins Wasser gehen. Während Winterschwimmen überall sonst in Europa bedeutet, nur wenige Sekunden in gefrorene Seen zu stürzen, und Neoprenanzüge voraussetzt, sorgt das milde Klima in Athen für Temperaturen, die rund um das ganze Jahr ein (relativ) angenehmes Baden und Schwimmen ermöglichen.
Die Lage des Poseidon-Clubs macht ihn zu einem begehrten Ort, da er in eine natürliche, von Klippen gesäumte Bucht eingebettet ist, und daher Schutz vor Wind und wärmeres Wasser als im offenen Meer bietet. Die Wassertemperatur bewegt sich hier in den Wintermonaten meist zwischen 9-12° C. Die Jahresmitgliedschaft des Clubs beträgt 35 €, worin auch der Zugang zu einem Arzt, Dermatologen und Chiropraktiker vor Ort inbegriffen ist. Das einzige, was Sie im Vorfeld tun müssen, ist, einen Kardiologen für einen Herz-Stresstest zu besuchen, und schon können Sie ins Wasser gehen.
Sollten Sie sich nur für kurze Zeit in der Stadt aufhalten und sich den Aufwand mit den Club-Modalitäten lieber ersparen wollen, können Sie überall an der Küste den Sprung ins kalte Wasser auch alleine wagen (obwohl es immer besser ist, einen Partner beim Schwimmen im kalten Wasser mitzunehmen).
Hier sind einige der besten Winter-Badeorte bei Athen
Vouliagmeni-See
Wenn Sie Lust haben, ein paar Bahnen zu ziehen, ohne sich den niedrigen Meerestemperaturen auszusetzen, dann ist der See von Vouliagmeni genau das Richtige für Sie. Da der See durch natürliche Thermalquellen erwärmt wird, beträgt hier die niedrigste, jemals registrierte Wassertemperatur 18° C (obwohl sie normalerweise zwischen 21-24° C liegt). Dadurch ist der See die perfekte Option für die weniger Tollkühnen. Der See wird durchgängig durch das Meer gespeist, was ihn im Zusammenspiel mit den unterirdischen natürlichen Strömungen, die das nahe gelegene Hymettos-Gebirge durchziehen, immerzu frisch hält. Neben der Erwärmung des Wassers verleiht ihm diese einzigartige geologische Besonderheit auch gesundheitsfördernde Eigenschaften.
Stolidi, Alimos
Stolidi liegt viel näher am Stadtzentrum und verfügt über einen ausgedehnten Sandstrand, der teilweise von Bäumen umgeben ist. Der Strand ist in den Wintermonaten am saubersten, wenn man ihn oft ganz für sich allein hat. Die linke Seite des Strandes ist die Domäne der Raketes- (oder Strandtennis-) Fans, während die rechte Seite den Schwimmern und Badenden vorbehalten ist. Es gibt kostenlose Duschen und Umkleidekabinen sowie die Möglichkeit, sich einen Snack von der Strandbar zu holen, wenn Sie nach dem Meeresbad Hunger bekommen sollten. Sie finden den Strand unterhalb der Straßenbahnhaltestelle Kalamaki.
Asteras, Glyfada
Zwischen Alimos und Vouliagmeni gelegen, verfügt der glamouröse Vorort Glyfada über eine Reihe von Stränden, die während der Wintermonate relativ gut frequentiert werden. Der Vorteil von Asteras ist jedoch, dass der Sand das ganze Jahr über von den Mitarbeitern des Balux Cafés gepflegt wird, was ihn zu einer familienfreundlicheren Alternative macht. Steigen Sie an der Bushaltestelle Asteria oder der Straßenbahnhaltestelle Kolymvitirio aus.