Umweltbewusstsein in Griechenland ist langsam im Aufstieg begriffen. Die Einführung der kostenpflichtigen Einweg-Plastiktüte in den Supermärkten im Januar 2018 hat den Verbrauchern zu denken gegeben. Als Prinz Charles während seines Athen-Besuchs darauf verzichtet, einen Plastik-Strohhalm für seinen kalten Kaffee zu benutzen, ruft diese im Fernsehen übertragene Szene unter den Kommentatoren zwiespältige Reaktionen hervor: Die einen bewundern seinen Beitrag zum Umweltschutz, während die anderen sich über sein Schaumbärtchen mokieren. Aber schon bevor Reduzieren, Wiederverwerten und Recyceln zur Bewegung werden und Schlagzeilen machten, haben junge griechische Unternehmer den Abfall aus dem Meer oder der Deponie gesammelt und wiederverwertet, um daraus Haushaltswaren und Accessoires herzustellen, die ebenso verlockend wie ethisch vertretbar sind.
Rokani: Alles aus Holz
Neben Abfallcontainern rund um Athen findet man häufig alte Schubladen, Bettgestelle und Holzpaletten, die darauf warten, vom Sperrmüll abgeholt zu werden. Rokani erweckt diesen Ramsch zu neuem Leben. „Alles begann damit, als einer von uns seine Wohnung renovierte. Wir haben mit dem Upcycling einiger Paletten experimentiert und dachten uns: warum die Idee nicht weiterentwickeln?“, sagt Stratos Hadjiyiannakis, einer der fünf Gründungsmitglieder von Rokani. "Wir alle haben einen handwerklichen Background. Nach der Finanzkrise waren wir auf der Suche nach einer Gelegenheit, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.“
Die Fünf ließen sich in einer kleinen Werkstatt nieder und fingen damit an, Holzpaletten, Türrahmen und andere hölzerne Teile von der Straße zu bergen. Nach dem Säubern, Feilen und Schleifen konstruierten sie daraus Bücherregale, Betten, Tische, Lampen, sogar Spielzeug. Abgesehen von Möbelstücken, die sie in einem kleinen Geschäft in der Einkaufsgalerie Stoa Emboron verkaufen, fertigen sie auch Einzelstücke nach Bestellung an. Wenn Sie im Internet etwas sehen, das Ihnen gefällt, schicken Sie ein Foto an Rokani und man schickt Ihnen einen Kostenvoranschlag und fertigt das Stück für Sie an. Wenn Ihre Räumlichkeiten oder Ihr Wohnstil sich ändern, übernimmt man gern die alten Möbel, die Sie bei Rokani gekauft haben – egal in welchem Zustand – und bietet Ihnen 30% Ermäßigung auf den Kaufpreis des neuen Möbels. “Wir werben nicht nur für recycelte Möbel, sondern auch für eine Kreislaufwirtschaft“, sagt Hadjiyiannakis. “Statt das Möbelstück wegzuwerfen, bringen Sie es uns zurück. Wir wissen bestimmt etwas damit anzufangen.“
Preise: 25-30€ für ein Bücherregal; 150-400€ für einen Tisch.
3Quarters: Die Markise macht die Tasche
Ein praktisches, haltbares Accessoire, ein Zero-Waste-Produkt und ein unentbehrliches Souvenir aus Athen, all dies vereint in einer super-stylischen Tasche. Dennoch: Als die Geschwister John and Gary(falia) Pitsaki ihre Stelle als Web-Entwickler in London bzw. Architektin in Rotterdam kündigten, um 3Quarters Design in Athen zu gründen, war das ganze Projekt ein Wagnis. “Unsere Idee war es, ein sehr kostengünstiges Produkt zu entwickeln, und zwar mit Materialien, die urtypisch für Athen sind, in Mengen genutzt und entsorgt werden“, erklärt Gary. Balkonmarkisen kamen uns spontan in den Sinn- die Stoffbahnen aus Segeltuch, welche den Athener Wohnungen seit den 1950er-Jahren Schatten spenden.
“Wir hatten keine Ahnung, ob die entsorgten Markisenstoffe überhaupt zu gebrauchen waren”, sagt John. Die beiden verbrachten über ein Jahr damit, die Stoffe zu testen, wobei es unterschiedlichste Schwierigkeiten zu überbrücken galt, wie etwa die Beschaffung und die Verarbeitung dieses schwierigen Materials. Die Verwendung von gebrauchten Markisen war nicht leicht umsetzbar aufgrund der Witterungsschäden und der Chemikalien, die zur Reinigung benötigt würden. So entschied sich das Duo dafür, unbenutzte Tuchreste zu verwerten, die bei der Produktion von Markisen anfallen. Gary nimmt jede neue Ladung von Stoffresten sorgfältig unter die Lupe, sortiert Farben und kombiniert Stoffteile; danach näht John sie zu unvergleichlichen Einzelstücken zusammen.
Zu den Bestsellern der Modelle gehört der Rucksack ‘James‘, die Clutch-Handtasche ‘Sophia‘ und die Strand-/Yogatasche ‘Sunny‘ mit Riemen für eine Bade-oder Yogamatte. Farbkombinationen reichen von feurigem Kypseli-Orange bis zu leuchtendem Blau, das auf den Markisen in Exarchia vorherrscht. Üppige tropische Muster, wie sie auf den Innenseiten der Markisen üblich waren, um einer eintönigen Wohnung der 1960er-Jahre eine exotische Note zu verleihen, finden sich nun als lebhaftes Innenfutter der 3Quarters-Taschen. Jede Tasche, mit Ausnahme (vorerst) der ‘James‘-Tasche, ist ebenfalls als vegane Option erhältlich, mit Segeltuch- statt Lederriemen.
Preise ab 28€ (‘Cookie’ Lunch-Taschen) bis 165€ (‘James’ Rucksäcke).
Théla: Kreislauf des Lebens
Die Übersiedlung von Mumbai nach Athen im Jahre 2017 gab der Grafik-Designerin Diti Kotecha die Chance eine Idee zu realisieren, die seit 20 Jahren in ihrem Kopf herumschwirrte. Mit ihrem Neuanfang in einem Land, wo man Plastiktüten verteilte, als gäbe es kein Morgen, verknüpfte sie ihr Geschick im Häkeln, ihren kreativen Background und ihre Hingabe zur Nachhaltigkeit und startete Théla. Ihre Kollektion von leuchtend bunten Accessoires besteht vollständig aus entsorgten Plastiktüten, die gewaschen, getrocknet und anschließend zu ‚Garn‘ verarbeitet werden. Daraus entstehen gehäkelte Broschen, Ohrringe, Untersetzer für Gläser oder Fußmatten.
“Mein Ziel ist es, Müll in schöne Produkte umzuwandeln, die kreativ und nachhaltig sind und nicht zu sehr nach Upcycling aussehen“, sagt Kotecha. Für die herrliche schiefergrau-gelbe runde Chatai-Fußmatte werden fast 60 gebrauchte Plastiktüten verwendet, die sonst auf Stränden, Feldern, Deponien oder im Meer gelandet wären. So werden einige der geschätzt über eine Million Tiere weltweit gerettet, die jedes Jahr durch Plastikmüll verenden. Nichts wird weggeworfen: Kotecha verwendet die Taschengriffe und –säume (die nicht zu Garn verarbeitet werden können) und füllt damit Pompons. Dünne Plastiktaschen werden durch Sonnenlicht zersetzt. Während das Garn durch Häkeln belastbarer wird, verzichtet Kotecha gleichzeitig darauf, einen UV-Lack aufzutragen, da dieser hochtoxisch ist und ein weiteres Upcycling verhindert. Jahre nach ihrer Umwandlung in Théla-Kreationen werden die Plastiktüten, die anfangs für den Einweg-Gebrauch bestimmt waren, sich allmählich auflösen. Aber, wie Kotecha sagt: “Je länger wir [das Plastik und die Chemikalien] davon abhalten, im Meer oder auf der Deponie zu landen, desto besser.“
Preise ab 10€ (Broschen) bis 80€ (Fußmatten).
PHEE: Strandgut
Stavros Tsompanidis hatte seinen Moment der Erleuchtung während eines Spaziergangs mit Freunden am Strand von Marathon. Der müßige Blick auf das Seegras entlang des Meeresufers, erinnert er sich, warf Fragen auf: „Was hat es auf sich mit diesem Rohmaterial? Wozu kann es verwendet werden? Was tun wir bis jetzt damit?“ Die Antwort auf die letzte Frage war, dass die riesigen Massen von Seegras, die an die Küste geschwemmt werden, zum großen Teil von den Gemeinden gesammelt und auf der Mülldeponie entsorgt werden. Um Antworten auf die ersten beiden Fragen und eine Alternative zur Lösung der dritten Frage zu finden, bedurfte es der Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauingenieur Nikolaos Athanasopoulos und dreier Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Das Resultat war PHEE.
Tsompanidis kam im Jahre 2018 auf die Forbes-Liste ‚30 unter 30‘ junger Industrie-Innovatoren. Das patentierte PHEE-Paneel, hergestellt aus abgestorbenem Posidonia Oceanica-Seegras, das von den Stränden in der Region Achaia auf dem Peloponnes gesammelt wird, wird zu nachhaltigen Objekten verarbeitet, angefangen von Handyhüllen bis hin zu Strandschlägern. Das Unternehmen produziert sogar Sonnenbrillen in Zusammenarbeit mit Zylo, einer griechischen Brillenmarke. Dies ist nur eine unter vielen strategischen Partnerschaften, an denen PHEE arbeitet.
“Wir sind ein Rohstoff-Lieferant; wir wissen, was wir tun können und dass wir nicht alles im Alleingang schaffen können”, sagt Tsompanidis. “Wir sind auf der Suche nach Unternehmen, die diesen Schatz aus dem Meer übernehmen und damit die Entwicklung neuer Anwendungen vorantreiben.“ Das PHEE-Paneel kann als umweltfreundliche Alternative für chemiebelastete Furniere bei Möbelstücken und Innenverkleidungen in Wohnräumen, Fahrzeugen und Yachten eingesetzt werden. Haltbares und dennoch biologisch abbaubares Seegras bietet ebenfalls Möglichkeiten, um Einweg-Plastikartikel wie Becher und Strohhalme zu ersetzen (Prinz Charles würde sich freuen).
Preise ab 22€ (Geschenk-Box) bis 195€ (Sonnenbrillen).
“Wir sind auf der Suche nach Unternehmen, die diesen Schatz aus dem Meer übernehmen und damit die Entwicklung neuer Anwendungen vorantreiben.“
Think Sea: Nautische Unikate
Think Sea fordert zu Schenkungen ausrangierter Windsurf-Segel auf, die an den Standort des Unternehmens auf der Insel Paros gebracht oder verschickt werden. Das Designerteam verwandelt sie in trendige und haltbare Smartphone- oder Tablethüllen, Taschen und Portemonnaies. Hört sich etwas esoterisch an? In der Tat. Da Windsurfsegel aber nicht recycelbar sind, landete jede neue Takelage durch die starke Beanspruchung während des Sommers auf der Mülldeponie. Wer weiß, vielleicht verhalf die Duffelbag in gewagten Blockfarben, die Sie interessiert mustern, Windsurf-Champion Nikos Kaklamanakis einst zu olympischem Sieg!
Preise ab 25€ (iPhone-Hüllen) bis 78€ (Duffelbag).
Salty Bag: Fantastische Totes
Salty Bag bietet ein ähnliches Konzept wie Think Sea, wählt aber einen anderen Wassersport, Insel-Standort (und eine andere Preisgruppe). Mithilfe von ‚ausrangierten‘ Yachtsegeln fertigt das Team eine Taschen- und Gepäck-Kollektion in ihrem Hauptstandort auf der Insel Korfu. Durch seine Haltbarkeit und Wetterbeständigkeit ist Segeltuch das ideale Material, um robustes Gepäck herzustellen, das ein Leben lang hält. Und darüber hinaus ist es natürlich wasserfest. Jedes Teil ist ein Unikat, die Produktpalette reicht von der regattafähigen Lacca Clutch-Handtasche im Metallic-Look bis zur blau-weißen, dem Stil der Ionischen Inseln nachempfundenen Kinira-Tote. Alle an Bord!
Preise ab 35€ (Envelope Clutch) bis 350€ (Duffelbag).
Shedia Art
Chris Alefantis has his social and environmental awareness hat on. You may have noticed people standing outside metro stations throughout the city in red Shedia vests selling a magazine by the same name. Aimed at empowering people in poverty, Shedia does much more than sell street papers. The leftover issues are used to create art objects, from lampshades to flower pots to clocks to delicate bracelets, necklaces and earrings, by people over the age of 50 who previously had difficulty finding employment. “We’re making the invisible visible again,” Alefantis says, referring to both the people that are being helped and the magazines that would have otherwise been thrown out for recycling. Check out their store on Kolokotroni street, which also just opened as a café and restaurant or the offshoot in the nearby Merchants arcade. Affordability and responsibility is the new black.
Prices from €2 (fridge magnet) to €100 (large handmade lampshade).
- 56 Kolokotroni Street, Monastiraki, 105 60
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Barrierefreier Zugang
- +302130231220