Cappuccino, Croissants und Couture
Kolonaki mag heute das Athener Schickeriaviertel schlechthin sein, es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass hier zu Zeiten der Osmanen vor allem Schafe und Ziegen grasten. Viele der ersten Bewohner wählten die Hänge des Lykabettos-Hügels als Wohnort, weil sie sie an ihr Bergdorf erinnerten. Der Stern von Kolonaki mag in den letzten Jahren gesunken sein, es ist aber immer noch das Quartier, wo Athener shoppen und Kontakte pflegen. Und so, wie sich der Schwerpunkt der Stadt verlagert hat, hat sich auch derjenige von Kolonaki von der Agios-Dionysios-Kirche in Richtung Kolonaki-Platz verschoben, wobei die Cafés an der unteren Platzseite zur Kapsali-Straße hin die Sahne abschöpfen. Aber Kolonaki kommt nie aus der Mode – es kultiviert im Gegenteil seine eigene. Die teuren Einzelhändler, die in den Neuzigerjahren wie die Pilze aus dem Boden geschossen waren, sind auf dem Rückzug und machen Platz für eine neue Generation griechischer Modeschöpfer.
Die Kapitale der Kaffeehauskultur
Für die Anwohner ist Kolonaki nicht mehr und nicht weniger als ihr Viertel. Aber für den Rest von Athen, ja von Griechenland, ist es die Kapitale der urbanen Kaffeehauskultur der Stadt und das Symbol der boomenden Achtzigerjahre. Diese Einstellung spiegelt perfekt das Schlagwort eines Komödianten wider, Pame platia?, zu Deutsch, „gehen wir zum Platz?“ – womit natürlich ganz konkret Kolonaki gemeint ist. Aber in diesem Viertel des Sehens und Gesehenwerdens ist es genauso wichtig, wo man Kaffeetrinken geht, wie mit wem. Modebewusste Zeitgenossen bevölkern die am weitesten vom Platz entfernten Cafés an den Straßen Milioni und Kapsali. Politische Strippenzieher ziehen sich rasch einen Espresso am oberen Ende, nahe der Tsakalof, rein, lassen sich aber für längere Meetings an der unteren Platzseite nieder. In Geschäften unterwegs? Dann werden Sie sich wahrscheinlich einen Tisch im Häuserblock zwischen den Straßen Kanari und Koumbari suchen. Und die Literaten der Stadt meiden den Platz und haben ihre Stammcafés in der Skoufa, im Umfeld der Kirche Agios Dionysios.
Der Lykabettos-Hügel
Mit einer Höhe von fast 300 Metern thront der Lykabettos-Hügel (Lykavittos für die Einheimischen) über Athen. Historiker glauben, dass Lycabettus zusammen mit Tourkovounia und dem Strefi-Hügel Teil des Agchesmos-Rückens war, der den nordöstlichen Teil Athens umgab. Der Mythologie zufolge war Lykabettus ein Stein, den Athene trug, um die Akropolis zu befestigen, der jedoch fallen gelassen wurde, als sie von einer Krähe aufgeschreckt wurde.
Der alte Steinbruch, in den ein Freilichttheater hineingebaut wurde (zurzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen) scheint dies zu bestätigen. Einen Athenbesuch auf dem Lykabettos beginnen zu lassen liefert eine gute Orientierungshilfe, weil der Gipfel einen Panoramablick über die Stadt bietet, der an klaren Tagen bis zur Insel Ägina und darüber hinaus reicht. Agios Georgios, die weiß getünchte Kirche aus dem 18. Jahrhundert an der Spitze, ist aus der Nähe so klein, wie sie aus der Ferne aussieht, und war ursprünglich ein Zufluchtsort für Mönche. Die kurze Fahrt mit der Zahnradbahn ist der schnellste Weg, um hinauf zu gelangen, hinunter sollten Sie aber laufen, um durch die Pinien hindurch verschiedene Ausblicke auf die Stadt zu genießen. Planen Sie einen Zwischenstopp an der zweiten Kirche des Hügels, Agii Isidori, ein. Sie verbirgt den Eingang zu einem Tunnel, der der Legende nach von griechischen Kämpfern genutzt wurde, um während des Unabhängigkeitsaufstands aus der Stadt zu fliehen.
Dexameni
Dexameni bedeutet Reservoir, und tatsächlich liegt diese Platzanlage an einem antiken Wasserspeicher. Hadrian baute dieses Wasserversorgungssystem, das den Stausee durch ein 9 Meter breites Aquädukt speiste, das am Berg Parnitha begann. Mitte der 1880er Jahre wurde das Reservoir restauriert, und in der Vorkriegszeit nutzte man es kurzzeitig als Kinderschwimmbecken, aber heute wird es nur einmal im Jahr für eine religiöse Zeremonie verwendet. Im Schatten herabhängender Ulmen gelegen, repräsentiert dieser stille Platz das, was in Kolonaki als Gegenkultur durchgeht – ein Refugium für Menschen, die mehr im Kopf haben als nur Cerruti. Dieser Ruf hat seine Wurzeln in den Dreißigerjahren, als dies der Treffpunkt der Athener Intelligenz war, von Schriftstellern wie Nikos Kazantzakis, Angelos Sikelianos, Alexandros Papadiamantis und Kostas Varnalis. Die Ouzeri, wo sie sich trafen, hat in verschiedenen Reinkarnationen bis heute überlebt. Sie können also ihren Ouzo mit Meze wenn schon nicht am selben Tisch, so doch am selben Ort genießen.
„Volkstrachten spiegeln nicht einfach nur den persönlichen Status des Trägers wider: auch Geschichte ist darin eingenäht.“
Museum für die Geschichte der griechischen Tracht
Ein drapierter weißseidener Chiton ist vielleicht das erste Bild, das einem beim Gedanken an traditionelle griechische Kleidung in den Sinn kommt, aber die Volkstrachten sind sehr viel ausgefallener und differenzierter. Was die Griechen tragen, hat seit der Antike wichtige soziale Informationen vermittelt, etwa über das Dorf, aus dem man stammt, oder den Familienstand. Diese Hinweise sind buchstäblich in die Kopfbedeckungen, Mieder, Röcke und Schuhe eingenäht, die das Museum für die Geschichte der griechischen Tracht zeigt. Selbst die Stoffe, die Schichtung und die Stickereien sind Teil des subtilen Codes, bei dessen Dechiffrierung die Beschilderung hilft. Volkstrachten spiegeln nicht einfach nur den persönlichen Status des Trägers wider: auch Geschichte ist darin verwoben. Die Trachten von den Kykladen zeigen deutliche Einflüsse aus dem Orient, während ein nordgriechisches Kleid aus dem 18. Jahrhundert einen slawischen Einschlag hat. Und das weibliche Repräsentationskostüm heißt Amalia nach der ersten griechischen Königin, die die peloponnesische Tracht dem westeuropäischen Geschmack mit anliegendem Mieder über weitem Rock angepasst hatte.
Die Gennadius-Bibliothek
Der bedeutende Diplomat und Gelehrte Johannes Gennadius hat von seinem Vater zwei Leidenschaften geerbt: die Liebe zu Büchern und die Liebe zu Griechenland. Diese verbanden sich in einer Sammlung von gut 26.000 Büchern, die er der American School of Classical Studies stiftete. Der Bibliotheksbau und die Außenanlagen sind mindestens genauso beeindruckend wie die Sammlung. Beim Betreten wird Ihr Blick auf die Säulen und die Isokrates-Inschrift über der Tür gelenkt, die lautet: "Sie werden Griechen genannt, diejenigen, die an unserer Erziehung teilhaben", aber stellen Sie sicher, dass Sie Ihren Kopf nach hinten neigen, um Details wie die zarten Intarsien an der Decke zu betrachten. Im Inneren gibt es eine Menge zu sehen, auch dann, wenn in der Bibliothek gerade keine Ausstellung gezeigt wird. Der Lesesaal ruft schon an sich ein Gefühl gedämpfter Ehrfurcht hervor; Aquarelle von Edward Lear und Erinnerungsstücke an Lord Byron sind ein Pluspunkt.