Wenn Sie im Frühjahr in Athen sind, sollten Sie auf keinen Fall die Osterfeierlichkeiten verpassen. Das griechisch-orthodoxe Ostern ist ohne Übertreibung der Stoff, aus dem Legenden sind: uralte Fastenrituale, Prozessionen bei Kerzenlicht, Lämmer, die sich am Spieß drehen, und Feuerwerk zu mitternächtlicher Stunde. Viele Athener verbringen Ostern in den Dörfern ihrer Vorfahren auf den Inseln oder auf dem Land. Nichtsdestoweniger kann das griechische Osterfest – oder Pascha, wie es auf Griechisch genannt wird – eine reichere Erfahrung sein, wenn man es in Athen verbringt, und dies gleich in mehrerer Hinsicht.
Das Ostern-Einmaleins
Karfreitag in Athen
Folgen Sie einer Kerzenlicht-Prozession durch die Straßen
Das Ereignis, das Sie unter keinen Umständen verpassen werden wollen, findet am Karfreitag statt. Es heißt Epitaphios und beginnt gegen 21 Uhr. Tagsüber schmücken Frauen in jeder Kirchengemeinde eine Holzbahre, die den Sarg Christi symbolisiert. Sie staffieren die Bahre dermaßen geschickt mit frischen Blumen aus, dass regelrechte Kunstwerke entstehen. Am Abend versammeln sich die Gläubigen vor der Kirche. Mit einer Bienenwachskerze in der Hand, laufen sie zusammen im Zug durch das Viertel, hinter dem Priester und den Sargträgern her, die die heilige Bahre (Epitaphios) mit einer Ikone Jesu Christi an deren Dach tragen. Während sich die feierliche Prozession durch die Straßen bewegt und sich dabei mitunter sogar mit den Zügen anderer benachbarter Kirchengemeinden vermischt, singen die Gläubigen eine eindringliche byzantinische Hymne, die von der Trauer der Jungfrau Maria über den Tod ihres Sohnes handelt. Schließlich reihen sich schwarzgekleidete Trauernde in eine Schlange und küssen einer nach dem anderen den Sarg..
Ostersamstag in Athen
Verfolgen Sie, wie das Heilige Feuer aus Jerusalem eintrifft
Am Ostersamstag stehen die griechisch-orthodoxen Zeremonien für den Sieg des Lichts über die Dunkelheit. Sie beginnen mit der Beförderung der geheimnisvollen Auferstehungsflamme aus dem Heiligen Grab in Jerusalem nach Athen. Nach der Ankunft am Athener Flughafen wird das Heilige Feuer zur Kirche der Agioi Anargyroi in der Erechtheos-Straße in der Plaka gebracht, die es traditionell immer als erste erhält. Von dort wird das Heilige Feuer in die Athener Kathedrale gebracht und von dort an die Kirchen in ganz Attika verteilt.
Am Samstagabend versammeln sich in jeder Kirche große Mengen von Menschen, in ihrer besten Sonntagstracht gekleidet, zur Mitternachtsmesse. Die Gläubigen strömen ab ca. 22 oder 23 Uhr in das Kircheninnere. Die übrigen versammeln sich gegen Mitternacht auf den Plätzen vor den Kirchen. Ob sie religiös sind oder nicht, den meisten Griechen würde es nicht einmal im Traum einfallen, von dieser Gewohnheit zu lassen. Jeder von ihnen hält eine weiße Kerze in der Hand. Kinder tragen oft größere Kerzen, die so genannte Lambades, die aufwendig mit Bändern und Ostersymbolen verziert sind – ein Geschenk ihrer Paten.
Das Spektakel der Mitternachtsmesse
Gegen Mitternacht gehen alle Lichter in der Kirche aus. Der Priester entzündet aus der ewigen Flamme des Heiligen Feuers eine Kerze. Dann verkündet er „Christos Anesti“ („Christus ist auferstanden“). Wenn die Kirchenglocken läuten, gibt der Priester das Licht von seiner Kerze weiter. Jeder Mensch gibt das Licht an seinen Nächsten weiter und sagt dabei denselben Segensspruch. Die Person, die die Flamme empfängt, reagiert mit den Worten: Alithos Anesti („Wahrlich, er ist auferstanden“). Schon bald hat sich das Licht einer einzigen Kerze unter sämtlichen versammelten Menschen verteilt.
An dieser Stelle singt die ganze Gemeinde die großartige Auferstehungshymne „Christus ist von den Toten auferstanden“, deren schöne Melodie allerdings oftmals vom ohrenbetäubenden Krach übertönt wird, den die Knallfrösche veranstalten, die von jungen und nicht mehr ganz so jungen Burschen in die Luft geschleudert werden. Ein Feuerwerk wird entzündet und erfüllt den nächtlichen Himmel über der Akropolis mit bunten Farben, die Glocken sämtlicher Kirchen läuten wie in fröhlicher Raserei im Chor, und die Straßen füllen sich mit Passanten, die ihre brennenden Kerzen behutsam nach Hause führen. Ein wahrhaft spektakulärer Aussichtspunkt, um die unzähligen flackernden Prozessionen in der Stadt zu beobachten, ist die Kirche des Agios Georgios auf dem Gipfel des Lykabettus. Nicht minder eindrucksvoll ist es zu beobachten, wie sich die Kerzenparade anschließend den steilen Hügel hinunter schlängelt.
Ein mitternächtliches Osterfest
Wenn die Leute mit ihren immer noch brennenden Kerzen von der Kirche nach Hause kommen, machen sie damit vor der Haustür dreimal das Kreuzzeichen, um das Haus zu segnen. Dann setzen sich alle zum traditionellen Osternachtmahl an den Tisch. Für viele ist es das erste Mal, dass sie nach dem Beginn der Fastenzeit vor 40 Tagen wieder Fleisch essen.
Das Hauptgericht ist die Magiritsa, eine Suppe aus den Innereien des Osterlamms, das am folgenden Tag gegrillt und verzehrt wird, aus Frühlingszwiebeln, Dill und Reis zubereitet, mit geschlagenem Ei eingedickt und mit Zitronensaft gewürzt wird. Sie soll nach der langen Fastenzeit eine beruhigende Wirkung auf den Magen ausüben und ihn auf das Festmahl des nächsten Tages vorbereiten. Nach der Suppe nimmt sich jeder ein rotes Osterei und fordert seinen Nachbarn zu einem „Duell“ heraus, bei dem die Eier entweder mit ihren spitzen oder ihren stumpfen Enden gegeneinander geschlagen werden. Die Person, deren Ei heil am Ende bleibt, gilt als Glückspilz für den Rest des Jahres.
Ostersonntag in Athen
Traditionelle griechische Ostergerichte
Am Ostersonntag wird zunächst ein ganzes Lamm am Spieß gegrillt, bis es gar ist, und anschließend von der ganzen Familie verzehrt. Das Zubereiten des Osterlamms ist Männerarbeit. Schon am frühen Ostermorgen heben sie eine kleine Grube aus und entzünden darin mit Holzkohlen ein Feuer. Über die glühenden Kohlen wird dann über mehrere Stunden hinweg langsam das Lamm gedreht. Diejenigen, die über keinen Garten verfügen, grillen Lamm und Kokoretsi traditionell im Backofen. Möglicherweise fallen Ihnen sogar Athener Frauen auf, die ihre opulent gefüllten Backbleche über die Straße zur nächsten Bäckerei tragen, um ihr Festmahl dort garen zu lassen.