Foto: Amalia Kovaiou

Während des Countdowns zur orthodoxen Fastenzeit verkleidet sich ganz Athen, um Apokries zu feiern – Griechenlands Version des Karnevals. Machen Sie bei dem ausgelassenen, drei Wochen währenden Treiben mit und besuchen sie Kostümpartys, Feste mit fleischloser Kost und kostenlose Karnevalsveranstaltungen für die ganze Familie.

Ein sicheres Zeichen, dass in Athen die Karnevalszeit angebrochen ist, ist der Anblick von Kindern auf der Straße, die sich als Superhelden, Prinzessinnen oder Miezekätzchen verkleidet haben. Auf einmal eröffnen an vielen Orten Pop-up-Stores, die Karnevalzubehör, wie ausgefallene Kostüme für Jung und Alt, Konfetti und Tröten, und andere Partyutensilien anbieten.

Für große Umzüge mit geschmückten Wägen ist der Athener Karneval nicht bekannt. Es ist kein Mekka für große Mardi Gras-Events wie es etwa Rio, New Orleans oder Venedig sind. Nichtsdestotrotz werden Sie in Athen einzigartigen Karnevalsbräuchen begegnen, die es in dieser Art nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Gemeint sind insbesondere zwei besondere Festtage, wobei der eine mit einer opulenten Fleischextravaganz, der andere mit einer sublimen Einführung in die griechische Fastenzeit aufwartet.

Foto: Eleni Veziri

Lasst uns Fleisch essen

Tsiknopempti könnte mit „Rauch-“ oder „Grilldunstdonnerstag“ übersetzt werden. Der „Rauchdonnerstag“ markiert den letzten Tag vor dem Beginn der Fastenzeit, an dem Fleisch gegessen werden kann. Wie Sie vielleicht wissen, ist das Wort Karneval eine Verballhornung der lateinischen Wendung carne levare, was, wörtlich übersetzt Fleisch wegnehmen bedeutet. Der griechische Begriff Apokries hat dieselbe Bedeutung: apo (weg von) und kreas (Fleisch). Für die Menschen griechisch-orthodoxen Glaubens sind die 40 Tage währende Fastenzeit eine Zeit der Enthaltsamkeit, um Körper und Seele zu reinigen. Im byzantinischen Griechenland war der Verzehr von Fleisch während der Fastenzeit eine strafbare Handlung, die mit Ächtung geahndet wurde.
Obwohl heutzutage längst nicht jeder in Griechenland die Fastenzeit einhält, ist Tsiknopempti natürlich der perfekte Feiertag für alle Fleischliebhaber. In ganz Athen finden Sie ab dem frühen Nachmittag vor Läden und Häusern improvisierte Grills. Am Abend erfüllt der appetitanregende rauchige Duft (tsikna) von gegrillten Koteletts, Steaks und Würstchen die Luft, und es beginnt eine regelrechte Orgie des Fleischverzehrs. Natürlich heizt eine ordentliche Menge Alkohol den Spaß zusätzlich an, und schon tanzen überall die Leute auf der Straße.

Obwohl die Karnevalsatmosphäre schon zu Beginn der Apokries in die Stadt einzieht und während der gesamten Dauer der drei Wochen im Vorfeld der Fastenzeit allgegenwärtig ist, erreicht sie am letzten Wochenende ihren absoluten Höhepunkt. Der Vorort Moschato im Südwesten Athens ist der Schauplatz, den man tagsüber aufsuchen kann, wenn man einen richtigen Karnevalsumzug mit Musik, Kostümen und Tanz miterleben möchte. Die Plaka wiederum ist der Ort, an dem man abends und in der Nacht sein sollte, wenn die Gassen von Einheimischen wimmeln, die Konfetti in die Luft schleudern und mit Plastikstäben – Phallussymbole, die auf dionysische Kulte verweisen, die in den Karnevalsriten der Vergangenheit eine wichtige Rolle spielten – aufeinander einschlagen.

Foto: Manos Chatzikonstantis

Ein Festtag zum Auftakt der Fastenzeit

Das schönste und gleichsam ungewöhnlichste Fest des griechischen Karnevals ist die Kathara Deftera, auf Deutsch: der Rosenmontag. Im Gegensatz zum Aschermittwoch ist der Beginn der Fastenzeit in Griechenland nicht durch nüchterne Abstinenz und mit Asche beschmierte Stirne geprägt. Vielmehr ist es ein Tag, an dem man ausgiebige Picknicks im Freien veranstaltet und Papierdrachen steigen lässt.

Vor allem aber ist der Rosenmontag dem fleischlosen Schlemmen gewidmet. Tavernen- und Picknicktische sind mit köstlichen Salaten, Meeresfrüchten, Dips und Lagana, einem ungesäuerten Fladenbrot mit Sesamkruste, reich bedeckt. Kein einziges Gericht wird aus einer Blut führenden Kreatur zubereitet. Neben rotem Fleisch sind keine Milchprodukte, Eier oder Fisch erlaubt. Aber „blutlose“ Köstlichkeiten wie Garnelen, Oktopus, Calamari und Schalentiere sind gestattet und verwandeln das Fasten geradezu zum kulinarischen Luxusgenuss.

Foto: Amalia Kovaiou

Einen Drachen steigen lassen

Athener, die über keinen eigenen Garten verfügen, strömen mit ihren vollen Picknickkörben und ihren Papierdrachen auf den Philopappos-Hügel gegenüber der Akropolis. Drachen sind seit der Antike ein Symbol der Reinheit und ein Weg für die Seele, sich dem Göttlichen zu nähern. Den Drachen im Auge zu behalten, während er himmelwärts steigt, wird zu einer Art Meditation.
Bis zum Nachmittag erhellen Drachen aller Farben den Himmel über Athen, während sich Griechen überall gegenseitig Kali Sarakosti, sprich „Frohe Fastenzeit“ wünschen. Eine Grußformel, die sie so in der westlichen Welt sicherlich nirgendwo sonst hören werden.

 

Der Karnevalszeit findet in Griechenland normalerweise irgendwann zwischen Ende Februar und Anfang März statt.
Da sich die orthodoxe Kirche immer noch an den Julianischen Kalender hält, variieren die griechischen Daten für Karneval, Fastenzeit und Ostern von Jahr zu Jahr.